Überweisungen im vereinfachten Verfahren
Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 9. November 2023, eine Reihe von Vorlagen in die Ausschüsse überwiesen. Dort wird weiter über die Initiativen beraten, bevor über sie abschließend – abermals im Plenum – entschieden wird:
Chemiewaffenübereinkommen: Ein von der Bundesregierung eingebrachter Entwurf „zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Chemiewaffenübereinkommen sowie außenwirtschaftlicher Vorschriften“ (20/9001) wird federführend im Auswärtigen Ausschuss beraten. Mit den Anpassungen sollen die Erfahrungen der Inspektionspraxis aus den vergangenen Jahren sowie beim Transfer gelisteter Chemikalien berücksichtigt werden, heißt es im Entwurf. Zur wirksamen Umsetzung des CWÜ in Deutschland würden zudem Regelungen über die Zuständigkeit der Begleitgruppe von Inspektionen der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) konkretisiert und präzisiert. Zugleich seien „detaillierte Rechtsgrundlagen“ zur Verarbeitung von Daten vorgesehen, schreibt die Bundesregierung. Neu eingeführt werde die Pflicht, die widerrechtliche Entwendung und das Auffinden von Chemiewaffen und Chemikalien mit Relevanz für das CWÜ zu melden. Erstmalig soll das Ausführungsgesetz auch Regelungen für Meldeketten für jene Behörden enthalten, denen solche Vorfälle angezeigt werden. Weitere Änderungen zielen auf eine Präzisierung und Ergänzung der Rechtsgrundlagen, um veränderten Anforderungen der OVCW für Inspektionen Rechnung zu tragen. Darüber hinaus soll es der Bundeswehr ermöglicht werden, in Auslandseinsätzen, die nicht im Rahmen von „Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ stattfinden – wie etwa einer militärischen Evakuierungsoperation –, als „milderes Mittel gegenüber dem Schusswaffengebrauch“ zum Beispiel Tränengas einzusetzen. Deutschland sei wegen seiner starken chemischen Industrie einer der am häufigsten inspizierten Vertragsstaaten des CWÜ. Mit seiner nationalen Implementierungsgesetzgebung wolle Deutschland „ein Beispiel geben“, erklärt die Bundesregierung. Mit der Ratifikation seien die 193 Vertragsstaaten verpflichtet, alle chemischen Waffen und die Einrichtungen zu deren Herstellung zu melden und zu vernichten, sowie die Produktion und Verwendung von Vorprodukten zu kontrollieren und alles dafür zu tun, um einen Missbrauch der friedlichen Nutzung der Chemie zu verhindern.
Tierarzneimittel: Eine Reihe von Neuregelungen für mehr Transparenz, an welche Empfänger und für welche Projekte Geld aus den Töpfen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der Gemeinsamen Fischereipolitik (GEP) der Europäischen Union gezahlt werden, sowie eine Änderung des Tierarzneimittelgesetzes, wonach auf EU-Ebene eine systematische Trennung zwischen Human- und Tierarzneimittelrecht vollzogen werden soll: Zu diesen Änderungen hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Agrar- und Fischereifonds-Informationen-Gesetzes und des Tierarzneimittelgesetzes“ (20/9002) vorgelegt, der im federführenden Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft beraten wird. Der Gesetzentwurf sieht vor, eine detailliertere Übersicht über die Zahlungen aus GAP und GEP zu veröffentlichen. Danach soll in Zukunft auch angegeben werden, ob der Empfänger einer Unternehmensgruppe angehört, in welchem Fall auch der Mutterkonzern genannt werden soll. Zudem soll genannt werden, für welche Projekte und in welchem Zeitraum das Geld ausgegeben wurde. Bisher veröffentlicht die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) einmal pro Jahr Empfänger von GAP-Zahlungen. Um fortlaufend einen Überblick zu bekommen, ist nun vorgesehen, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft für die Veröffentlichung der Informationen im Internet den Aufbau und den Inhalt einer Website zur Verfügung stellt, dabei sollen „die Informationen in einem offenen, maschinenlesbaren Format“ bereitgestellt werden. Das geltende Tierarzneimittelgesetz (TAMG) „ist an den Ausspruch des Bundesverfassungsgerichts sowie die systematische Neuordnung des Tierarzneimittelrechts auf europäischer Ebene, insbesondere durch die Verordnung (EU) 2019 / 6, anzupassen“, heißt es in dem Entwurf. Das Bundesverfassungsgericht hatte erklärt, Teile des TAMG seien mit dem Grundgesetz unvereinbar. Danach sei eine Vorschrift „nichtig“, mit der die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger und zugleich registrierter homöopathischer Humanarzneimittel bei Tieren, die nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, unter einen Tierarztvorbehalt gestellt wird. Ferner erfahre Paragraf 62 Absatz 2 des TAMG eine „systematische Neustrukturierung“. Demnach werde unter anderem das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, für Tierarzneimittel und veterinärmedizintechnische Produkte die Entwicklung und Herstellung, die Prüfung, die Lagerung und Verpackung, den Erwerb und die Bevorratung sowie die Bereitstellung auf dem Markt „zu beschränken und die hierfür erforderlichen Maßnahmen vorzuschreiben“, heißt es in dem Entwurf.
Entwicklungspolitik: Die Unionsfraktion fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag (20/9139) auf, die kommunale Entwicklungspolitik (KEpol) zu stärken und dafür im Rahmen eines Föderalismusdialogs mit Ländern und Kommunen eine gemeinsame nationale Strategie anzuregen. In Koordinierungsrunden mit den Ländern sowie den kommunalen Spitzenverbänden solle sie die bestehenden KEpol-Programme hinsichtlich ihrer Eignung zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele sowie der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie prüfen und die Haushaltsmittel dafür 2024 zumindest auf gleichbleibendem Niveau gegenüber den für 2023 veranschlagten Mitteln zu belassen. Der Krieg in der Ukraine zeige, „welch wichtige Ergänzung die kommunale Entwicklungspolitik zu den auf nationaler Ebene koordinierten Beiträgen zu nachhaltiger Entwicklung“ darstelle, schreiben die Abgeordneten in der Begründung. Bei der Umsetzung von laufenden Unterstützungsmaßnahmen und der Bewältigung des Wiederaufbaus leisteten Kommunen wichtige Arbeit, denn sie würden die Bedarfe gerade im Bereich der Daseinsvorsorge am besten kennen. Daher könnten sie durch ihre niederschwellige Zusammenarbeit mit ukrainischen Partnergemeinden dringend benötigte Güter und Expertise schnell und zielgerichtet auf den Weg bringen. Mit der Vorlage befasst sich federführend der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Afrika: Die Bundesregierung soll nach dem Willen der AfD-Fraktion die Außenwirtschafts- und Investitionsförderung ins Zentrum ihrer Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika stellen. Der Fokus sollte laut ihrem Antrag (20/9156) darauf liegen, durch die Beratung und Unterstützung deutscher Unternehmen bei der Errichtung von Betriebsstätten in Afrika und der Förderung der Vernetzung und Beteiligung deutscher Unternehmen an afrikanischen Wirtschaftsunternehmungen, Wertschöpfung in Afrika zu generieren. In einem weiteren Punkt heißt es, die Bundesregierung solle keinen Ausgleich für Umweltschäden in Afrika, „aufgrund vermeintlich anthropogenen Klimawandels, der ursächlich in Deutschland und anderen hochtechnisierten Ländern zu verantworten sein soll“, als Bestandteil von Entwicklungszusammenarbeit leisten. Der Bundestag überwies die Vorlage zur weiteren Beratung an den federführenden Entwicklungsausschuss.
Äthiopien: Die AfD-Fraktion will die Entwicklungszusammenarbeit mit Äthiopien einstellen und die Wiederaufnahme vom „Stopp des Regierungspalast-Bauvorhabens“ abhängig machen. Das fordert sie in einem Antrag (20/9153), den der Bundestag zur weiteren Beratung an den federführenden Entwicklungsausschuss überwiesen hat. Trotz der schwierigen humanitären Lage im Land lasse sich Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed in den Hügeln oberhalb der Hauptstadt Addis Abeba auf einem Gelände von 503 Hektaren einen mindestens zehn Milliarden US-Dollar teuren Regierungspalast bauen, schreiben die Abgeordneten. Angesichts der erheblichen Widersprüche zwischen den sozioökonomischen Herausforderungen Äthiopiens und den Plänen des äthiopischen Ministerpräsidenten, würden weitere Entwicklungsleistungen an die äthiopische Regierung einer Duldung der schlechten Regierungsführung gleichkommen, urteilen sie. Die Zahlungen seien daher einzustellen.
Antisemitismus: Die AfD-Fraktion hat einen Antrag mit dem Titel „Antisemitismus durch Zuwanderung klar benennen und effektiv bekämpfen – Unterstützer von antisemitischem Terrorismus ausweisen“ (20/9151) eingebracht. Die Vorlage wurde zur federführenden Beratung an den Innenausschuss überwiesen. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, den „importierten Antisemitismus“ als „ernstzunehmende wachsende Bedrohung für unser gesamtes westliches Wertesystem“ dringend prioritär zu bekämpfen. Zugleich dringt die Fraktion darauf, „Mitglieder der Hamas sowie der Hisbollah und ihre Unterstützer“ innerhalb des rechtlichen Rahmens neben einer gegebenenfalls durchzuführenden strafrechtlichen Verfolgung unverzüglich auszuweisen. Auch soll die Bundesregierung nach dem Willen der Fraktion dafür Sorge tragen, dass Finanzströme aus Deutschland zur Terrorismusfinanzierung in palästinensische Gebiete effektiv aufgeklärt sowie schnellstmöglich unterbunden werden. Ferner sollen Bund und Länder dem Antrag zufolge die Islamverbände und islamischen Gemeinden in Deutschland auffordern, „eigeninitiativ Basisarbeit in Form von Programmen und Veranstaltungen gegen Antisemitismus und im Speziellen gegen israelbezogenem Antisemitismus durchzuführen“. Des Weiteren plädiert die Fraktion dafür, dass die zuständigen Staatsangehörigkeitsbehörden bei der Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen durch vertiefte Befragungen sicherstellen, „dass keine Personen mit antisemitischen oder antiisraelischen Einstellungen im Sinne einer Verneinung des grundsätzlichen Existenzrechts Israels die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben können“. Diese Ausschlusskriterien sollten ausdrücklich im Staatsangehörigkeitsgesetz verankert werden. „Zudem ist eine Gesetzesänderung am Maßstab des Grundgesetzes zu prüfen und gegebenenfalls zeitnah umzusetzen, durch die Personen mit ausländischer und deutscher Staatsangehörigkeit Letztere verlieren sollen, wenn diese nachweislich antisemitische Handlungen oder Äußerungen in Deutschland vorgenommen haben, die die Öffentliche Sicherheit und Ordnung in schwerwiegender Weise konkret gefährden“. Darüber hinaus fordert die Fraktion die Bundesregierung unter anderem dazu auf, die „illegale Massenmigration“ zu beenden und „somit einer weiteren Ausbreitung von importiertem Antisemitismus entschlossen entgegenzuwirken“.
Vereine: Die CDU/CSU-Fraktion hat einen Antrag zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über europäische grenzübergreifende Vereine KOM(2023)516 endg.; Ratsdok. 12800 / 23 vorgelegt (20/9138), der eine begründete Stellungnahme gemäß Artikel 6 des Protokolls Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon zur Prüfung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit vorsieht. Die Vorlage wird im Rechtsausschuss weiterbearbeitet.
Entwicklungspolitik: Die AfD-Fraktion hat einen Antrag mit dem Titel „Globaler Süden und Globaler Norden als Kategorien in der Entwicklungspolitik aufgeben“ (20/9150) eingebracht. Die Vorlage wurde zur weiteren Beratung an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung überwiesen. Die AfD-Fraktionen fordert die Bundesregierung auf, einen entwicklungspolitischen Ansatz zu verfolgen, bei dem die üblichen Bezeichnungen von „Industrienation“, „Schwellenländern“ und „Entwicklungsländern“ verwendet werden. Die Bezeichnungen Globaler Süden und Globaler Norden sollen als Kategorien in der Entwicklungspolitik aufgeben werden, „um jegliche Form von Schuld- und Opferpolitik im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu überwinden“. In einem zweiten Punkt fordern die Abgeordneten, die deutsche Entwicklungspolitik auf eine „marktnahe wirtschaftliche Zusammenarbeit zum Wohle der deutschen Wirtschaft und der afrikanischen Partner strategisch auszurichten“.
Wasserstoffpolitik: Ebenfalls an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung überwiesen wurde ein weiterer AfD-Antrag, der keine Wasserstoffpolitik für Europa zu Lasten von Menschen und Umwelt in Afrika fordert (20/9154). Die Bundesregierung soll demnach ihre Wasserstoffvorhaben in Afrika und ihre Bemühungen auf Ebene der Europäischen Union, Wasserstoff aus Afrika in die EU zu importieren, einstellen. Außerdem soll sie sicherstellen, dass öffentliche und private Investitionen, die von Deutschland oder mit deutscher Beteiligung in Afrika getätigt werden, im Einklang mit den relevanten Entwicklungszielen der afrikanischen Partnerländer stehen. Hierzu gehören aus ihrer Sicht insbesondere die Wasser-, Energie- und Nahrungsmittelversorgung. Die Antragsteller sehen ein erhebliches Konfliktpotenzial zwischen den Wasserstoffambitionen der Bundesregierung und der lokalen Wasser-, Nahrungsmittel- und Energieversorgung in Afrika. So sei der Export elektrischer Energie aus Afrika „unsinnig“, da die Staaten Afrikas noch sehr lange erst einmal prioritär ihren eigenen Energiebedarf decken müssten.
Pflanzenschutzmittel: Die Fraktion Die Linke fordert ein Exportverbot für in der EU nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel. In dem Antrag (20/8953), der an den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft überwiesen wurde, rufen die Abgeordneten die Bundesregierung dazu auf, „unverzüglich eine Verordnung gemäß § 25 Absatz 3 Nummer 2 des Pflanzenschutzgesetzes zu erlassen“, die die Ausfuhr solcher Pflanzenschutzmittel verbietet, die in der EU nicht genehmigte Wirkstoffe, Safener oder Synergisten oder in der EU nicht zugelassene Beistoffe enthalten. Außerdem soll es einen Gesetzentwurf geben, der das Pflanzenschutzgesetz derart verändert, dass „ein Verbot für die Ausfuhr von Wirkstoffen, die nicht für die Verwendung in Pflanzenschutzmitteln gemäß dem Anhang der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 genehmigt sind“, erlassen wird. Schließlich solle die Bundesregierung sich „aktiv einsetzen, um im Rahmen der EU-Chemikalienstrategie ein Exportverbot für in der EU verbotenen gefährlichen Stoffe in Drittstaaten zu unterstützen“, und sich auf EU-Ebene „für eine europaweite Regulierung zur Unterbindung von Produktion, Lagerung und Export von Wirkstoffen, Zwischenprodukten und Formulierungen von Pflanzenschutzmitteln einsetzen, die in der EU über keine Genehmigung verfügen“.
(ste/irs/eis/09.11.2023)